Leben an der Grenze - Spanglish

Plastikdose mit der Aufschrift: Forks Y Knives
Teaser Bild Untertitel
Spanglish im Alltag: Forkes Y Knives

¿Qué tan grande es „la populación“ in Germany? Do they have something tan cool as we have it, aquí en la border?

Sie haben richtig gelesen. Machen Sie sich keine Sorgen, falls Sie den Satz nicht komplett verstanden haben. Er ist in einer Sprache geschrieben, die in keinem Land offiziell anerkannt ist, aber Tag für Tag von abertausenden Menschen in den USA verwendet wird. Es handelt sich um „Spanglish“, eine Mischung aus Spanisch und Englisch, die all jene als die Sprache der Zukunft der USA betrachten, die keine Sprachpurist/innen sind.

Spanglish ist kein neues Phänomen. Seine Ursprünge reichen bis in die Anfänge des 20. Jahrhunderts zurück, als die Kolonisatoren versuchten, den Menschen in Puerto Rico ihre Sprache aufzuzwingen. Aber Spanglish hat sich ausgebreitet und mit der Zeit verändert. Heute verwenden es viele Latinas/os der zweiten Generation. Also jene, die in den USA als Kinder von Migrant/innen geboren wurden, Englisch als erste Sprache sprechen, sich mit ihren Eltern aber auf Spanisch unterhalten. In vielen Fällen können sie nicht mehr fließend Spanisch und kombinieren daher andauernd Wörter aus beiden Sprachen.

Auch arme Migrant/innen ohne Englischkenntnisse sprechen häufig Spanglish. Sie erschaffen sich diese einzigartige Kommunikationsform, um in einem für sie widrigen Umfeld zurechtzukommen. Da wird eine „pump“ (Englisch für Pumpe, Tankstelle, Zapfsäule) zur „pompa“, was auf Spanisch Seifenblase oder Hintern bedeutet. Der Satz „pompea la gasolina“ klingt auf Spanisch zwar abscheulich und macht keinen Sinn, wird aber in einigen Gebieten, etwa entlang der Grenze, gut verstanden. Es gibt hunderte Beispiele für diesen Sprachgebrauch. Das englische „hang out“ wird zu „jangear“ (mit Freunden rumhängen oder ausgehen), während aus „watching“ (zuschauen) „guachar“ wird. Unter diesen Umständen ist es nicht außergewöhnlich Sätze zu hören wie „I’m jangeando with my friends” oder „ay te guacho later, friend…!“

Suche „forklista“, keinen „operador de montacargas“

Vor ein paar Jahren hat mir eine befreundete Journalistin eine Anekdote erzählt, die eindrücklich aufzeigt, was Spanglish ist: Als sie anfing, bei einer Latino-Zeitung zu arbeiten, las sie in den Kleinanzeigen, dass ein „forklista“ (Gabelstaplerfahrer, vom englischen „fork“ für Gabel) gesucht wurde. Sie glaubte sofort, dass dies ein Fehler sei und rief an, damit sie diesen korrigierten und stattdessen schrieben „Solicito operador de montacargas” (korrektes Spanisch für: „Gabelstablerfahrer gesucht“). Am folgenden Tag beschwerte sich der Unternehmer, der die Anzeige aufgegeben hatte, darüber, dass niemand auf seinen Aufruf reagiert habe. Er forderte, dass sie wieder das Wort „forklista“ einfügten. Nach dieser Änderung bewarben sich dutzende Personen auf den Job.

Für die Akademiker/innen und Verteidiger/innen des Spanischen verdirbt Spanglish nicht nur die Originalsprache, sondern unterwirft diese dem Englischen. „Die Sprache, die 400 Millionen Menschen sprechen, geht unter und wird durch den unaufhaltsamen Vormarsch des Spanglish geschwächt“, schrieb der kolumbianische Essayist und Akademiker William Restrepo in einem Artikel. Für viele Latinas/os in den USA erzeugt Spanglish jedoch ein Zugehörigkeits- und Identitätsgefühl.

An der Grenze werden die Spanglish-Sprechenden als „pochas/os“ bezeichnet. In Mexiko wird dieser Ausdruck abwertend für ungebildete US-Mexikaner/innen verwendet, aber im Grenzgebiet drückt er für ebendiese den Stolz aus, eine eigene, bikulturelle Identität zu besitzen.
Jenseits der rein linguistischen und kulturellen Diskussionen ist die Ausweitung des Spanglish-Gebrauchs ein klarer Beleg für den demografischen Wandel, den die USA durchmachen, und den stetig wachsenden hispanischen Einfluss in dem Land.

Laut Prognosen werden Latinas/os im Jahr 2050 39 Prozent der US-Bevölkerung stellen, womit sie nach der angelsächsischen die zweitgrößte Bevölkerungsgruppe wären. Das Pew Research Center geht davon aus, das dann beinahe jede/r fünfte Einwohner/in der USA außerhalb der Landesgrenzen geboren und dorthin zugewandert sein wird. Derzeit machen Latinas/os 16,7 Prozent der Gesamtbevölkerung aus.

Spanglish hat sich längst eingebürgert in den USA

Die Werbeagenturen, die Medien und selbst die Regierung sind sich dieses Phänomens bewusst und bedienen sich des Spanischen, um die Bevölkerung zu erreichen. Dabei nutzen sie – vielleicht ohne es zu bemerken – auch Spanglish. Die Universitäten laden zum Beispiel junge Leute mit dem Spanglish-Begriff „aplicar“ dazu ein, sich um einen Studienplatz zu bewerben. Der Antrag für eine Kreditkarte wird bei der Bank zur „aplicación“, während die Versicherungen „aseguranzas“ zu niedrigen Kosten anbieten.

Im Grenzgebiet um Ciudad Juárez und El Paso, wo drei Viertel der Bevölkerung mexikanischer Herkunft sind, ist es völlig normal Spanglish zu sprechen. Dies gilt auch entlang der gesamten, mehr als 3.000 Kilometer langen Grenze zwischen den USA und Mexiko.

Grenzen sind immer Laboratorien des Wandels. An ihnen entwickeln und reproduzieren sich Phänomene, die später auch auf das Leben im Landesinneren Einfluss haben werden. Und in der Sprache äußert sich dieser Wandel vielleicht am deutlichsten.

Die Debatte darüber, den Reichtum des Spanischen zu erhalten und nicht zu akzeptieren, dass sich die Sprache dem Englischen unterwirft, ist noch nicht zu Ende und wird auf akademischer Ebene weitergeführt. Doch man muss verstehen, dass Spanglish der Ausdruck einer sich wandelnden Wirklichkeit ist und, ob wir wollen oder nicht, sich längst in diesem Land eingebürgert hat.

Das ist also kein Grund um zu „friquearse“ (auszuflippen). Die Sprache ändert sich, die Grenze ändert sich, die Migration beeinflusst Tag für Tag alle Länder weltweit und verändert sie auf die eine oder andere Art. ¿No es eso cool?

--
Aus dem Spanischen von Tobias Lambert

Diese Kolumne erscheint in Zusammenarbeit mit dem Nord-Süd-Magazin Südlink
Herausgeber: INKOTA-netzwerk

Bereits in dieser Kolumne erschienen: